Simmeth Blog

Die Weiterbildungslüge….

Frank Simmeth | 30.12.2021

…und ein paar (unbequeme) Wahrheiten!

In einer Zeit des Fachkräftemangels lohnt sich ein Blick darauf, was Arbeitnehmer von einem modernen Arbeitgeber statistisch erwarten. Die letzte Umfrage dazu wurde von der GWA 2020 veröffentlicht. Seit Jahren belegen laut dieser Statistik Arbeitsklima, Freude bei der Arbeit sowie Work-Life-Balance genau in dieser Reihenfolge die ersten 3 Plätze. Das Einstiegsgehalt kommt, für viele sicherlich überraschenderweise, mit 33% bei den Frauen und 29% bei den Männern erst auf Platz 4…

Noch überraschender ist aber vielleicht, dass die Möglichkeit der betrieblichen Weiterbildung bei 27% der Frauen und 26% der Männer direkt auf Platz 5 folgt. Vergleicht man das mit Arbeitsplatzsicherheit (Platz 9) und weiteren betrieblichen Zusatzleistungen (Platz 14), wird klar, welche Bedeutung Mitarbeiter*innen vermeintlich der Möglichkeit zumessen, sich fachlich wie persönlich weiterzuentwickeln.

“Schwindeln viele Mitarbeiter*innen also einfach???”

Der eine oder andere Personalverantwortliche, der diese Statistik erstmals liest, wird sich vermutlich jetzt gerade die Augen reiben. Die Realität in den Betrieben sieht nämlich oftmals völlig anders aus. Richtig ist, dass alle Bewerber im Vorstellungsgespräch gerne davon reden, wie wichtig ihnen Weiterbildung ist. Kommt es später dann zu konkreten Weiterbildungsmaßnahmen, entstehen plötzlich große Widerstände. Da ist für manche Mitarbeiter*innen von schlechter Zeit über unpassenden Inhalt oder zu viel Aufwand jedes Argument gerade recht, um sich vor einer anstehenden Schulung zu drücken.

Schwindeln viele Mitarbeiter*innen also einfach, wenn es um Weiterbildung geht, nur um sich interessierter darzustellen? Nicht zwingend. Ich glaube nämlich, dass nicht nur Mitarbeiter*innen alleine dafür verantwortlich sind, dass es hier eine Diskrepanz gibt….

Performance, Performance!
Auch Mitarbeiter*innen kommen ja, wenn es um die eigene Weiterentwicklung geht, in vielen Betrieben schnell in der harten Realität an. Im Schulungsangebot für Mitarbeiter interessieren sich viele Unternehmer und Personalentwickler herzlich wenig für deren persönliche Entwicklung. Sondern mehr dafür, dass Mitarbeiter*innen in möglichst kurzer Zeit lernen, im Alltag besser zu performen bzw. produktiver zu arbeiten. Bezüglich Weiterbildung steht also meist weniger zur Debatte, was sich ein*e Mitarbeiter*in wünscht oder braucht. Es geht eher darum, was sich der jeweilige Betrieb wünscht. Wenn dann ein Mitarbeiter*in im Laufe der Karriere gerade in Gastronomie und Hotellerie durch die 10. Verkaufsschulung und Reklamationsschulung „geschleust“ wird, ist es auch kein Wunder, wenn sich die Begeisterung irgendwann in Grenzen hält.

Über einen Kamm geschert?
Möglichst viele Mitarbeiter in einem Inhouse-Training durch ein Thema zu schleusen, ist nur vermeintlich betriebswirtschaftlich geschickt. „Über einen Kamm“ macht nur Sinn, wenn das Thema für alle gleich relevant ist. Das kann z.B. bei neuen Hygieneregelungen so sein. Bei einem Verkaufstraining haben aber alle einen unterschiedlichen Kenntnisstand. Das sorgt dafür, dass immer entweder ein Teil der Gruppe überfordert ist oder sich gerade langweilt. Individuelle und punktuelle Maßnahmen mögen zwar auf den ersten Blick teurer erscheinen, haben aber eine viel höhere Wirksamkeit und neigen deshalb dazu, sich im wahrsten Sinne „auszuzahlen“. Außerdem fühlen sich Mitarbeiter*innen, die individuell gefördert werden viel mehr wertgeschätzt.

Betreuungslos!
Kommt ein*e Mitarbeiter*in schon in den Genuss einer Weiterbildung, die sinnvoll ist und auch noch Spaß macht, schlagen sie im Anschluss oft wieder ernüchtert im  Betrieb und damit im „alten System“ auf, wo Kollegen wie oftmals auch Vorgesetzte verhindern, dass vom Gelernten jemals etwas umgesetzt wird. Wenn ich als Mitarbeiter*in aber Dinge lerne, die ich nie umsetzen darf, verliere ich auch irgendwann einmal die Lust am Lernen. Jede Weiterbildungsmaßnahme muss mit Zielvereinbarungen und guten Gesprächen im Betrieb begleitet und unterstützt werden. Versäumen Vorgesetze das, werden Weiterbildungen meist bedeutungslos.

Von Glauben und Selbstwert…
Natürlich gibt es auch auf Seite der Mitarbeiter*innen Gründe, die gegen Weiterbildungsmaßnahmen sprechen. Zum einen hören viele beim Wort „Schulung“ das Wort „Schule“ heraus, was für viele Menschen schon aus der Historie heraus mit „öde und langweilig“ verknüpft ist. Erleben die Mitarbeiter*innen dann auch noch eine Weiterbildung, die vor allem theoretische Modelle in den Mittelpunkt stellt und weder Praxistransfer, persönliche Entwicklung oder persönliches Feedback beinhaltet, werden solche alten Glaubenssätze auch noch betoniert und verallgemeinert. Gerade Erwachsenenbildung muss die oben genannten Punkte aber unbedingt beinhalten und bei der Auswahl eines externen Anbieters berücksichtigt werden. Abgesehen davon schwingt bei vielen Mitarbeitern bei einem Weiterbildungsangebot die Angst mit, dass die bisherige Leistung nicht gut genug wäre. Gerade hier ist von Vorgesetzten ein wenig Einfühlungsvermögen und ein vorbereitendes Gespräch erforderlich.

Weiterbildung der Zukunft?
Abgesehen aber von all diesen Einwänden und Punkten steht aber nicht zur Debatte, dass kontinuierliches Lernen für alle im Team unumgänglich ist. Mit anderen Worten: Weiterbildung ist für Mitarbeiter*innen und Unternehmer*innen gleichermaßen alternativlos, um mit den sich verändernden Bedingungen umgehen zu können. Aus den oben genannten Punkten ergeben sich deshalb folgende neuen Regeln, damit ein betriebliches Weiterbildungskonzept zukunftsfähig ist:

  • Das Weiterbildungsangebot muss persönliche und fachliche Entwicklung beinhalten
  • Die Mitarbeiter*innen müssen bei der eigenen Weiterbildung mitbestimmen dürfen
  • Weiterbildung muss jeweilig auf den individuellen Bedarf abgestimmt sein
  • Weiterbildung besteht nicht aus einer Maßnahme, sondern aus einem Konzept inkl. Vor- und Nachbereitung
  • Moderne Weiterbildung muss Spaß machen und immer konkreten Praxisbezug haben

 

Natürlich gibt es Mitarbeiter*innen, die eigenverantwortlich, gewissenhaft und diszipliniert an ihrer eigenen Entwicklung arbeiten. Wer das aber von allen Mitarbeiter*innen erwartet, wird enttäuscht sein. Wer nicht unbedingt muss, ist auch gerne mal ein wenig bequem! Das muss man bei Menschen vielleicht akzeptieren. Hier ist auch weniger eine kritische Haltung angebracht, sondern eher „liebevolle Begleitung“. Wenn es um Weiterbildung geht, dürfen Mitarbeiter*innen natürlich mit betrieblichen Regelungen durchaus ein bisschen zum Weiterbildungs-Glück „geschubst“ werden. Am Ende ist das ja auch eine wirkliche Win-win-Geschichte…

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Frank Simmeth

Frank Simmeth ist zertifizierter INLPTA Trainer, ECA Lehr-Coach, Buchautor und Kolumnist. Seit 2003 ist er erfolgreich als selbständiger Trainer für Gastronomie und Hotellerie tätig und begeistert in seinen lebendigen und abwechslungsreichen Seminaren Mitarbeiter wie Führungskräfte gleichermaßen.

Zertifiziertes Lerninstitut

Simmeth-Training ist ECA zertifiziert und zweifacher Finalist des Europäischen Trainingspreises.

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