Simmeth Blog

Du oder lieber Sie?

Frank Simmeth | 20.11.2021

Ein Leitfaden für mehr Klarheit in der Ansprache….

Soll ich meine Kund*innen, Vorgesetzten, Mitarbeiter*innen nun duzen oder lieber doch siezen? Ist eines davon altmodisch und das andere modern und schick? Verliere ich den Respekt, wenn ich mich von meinen Mitarbeiter*innen duzen lasse und bin ich unhöflich, wenn ich Kunden und Gäste einfach so duze?

Es ist ja klar, dass viele hier verunsichert sind. Alle dieses Fragen kann man durchaus mit einem klaren „Jein“ beantworten. Bei mir ist das beispielsweise so, dass ich mit nahezu allen Teilnehmern und Partnern per Du bin. Kommt jemand zu mir für ein Einzelcoaching, beginne ich dennoch meist mit einem „Sie“, um mit der entstehenden Distanz auch mich selbst ein wenig abzugrenzen. Damit aber du selbst je nach Situation und Umfeld hier eine gute Entscheidung treffen kannst, ist womöglich ein wenig Hintergrundwissen hilfreich:

Viele glauben ja, dass die Frage nach dem Du oder Sie im englischen Sprachraum viel leichter sei, da sich hier ja eh alle duzen würden. Das ist übrigens so nicht richtig. „You are“ heißt in der wörtlichen Übersetzung ja nicht „Du bist“, sondern „Sie sind“. Viel richtiger ist also, dass sich in der englischen Sprache das „Sie“ durchgesetzt hat und nicht das „Du“. Tatsächlich gibt es auch in der englischen Sprache ein „Du“ (thee = dich, thou = du, thy = dein). Diese Form wird aber ausschließlich beim Beten verwendet. Mit anderen Worten: Auf Englisch wird nur Gott gedutzt, alle anderen siezen sich! Im englischen Sprachraum ist also sprachlich gar keine andere Unterscheidungsform möglich, als dass man sein Gegenüber mit Vornamen anspricht, um eine persönlichere Ansprache zu wählen. Manche Vorgesetzte haben diese Form auch bei uns übernommen, indem sie ihre Mitarbeiter*innen siezen aber dennoch mit Vornamen ansprechen. Das kann man natürlich so machen. Viel wichtiger finde ich aber die Frage, was die Absicht dieser Unterscheidung ist.

Fakt ist, dass die „Sie“ Form eine gewisse Distanz zu meinem Gegenüber schafft. In unserer Gesellschaft drückt sich „Beziehung“ ja nicht wie ursprünglich hauptsächlich in räumlicher Distanz aus, sondern eben auch sprachlich. Je nachdem also, wie nah du andere Menschen an dich „rankommen“ lassen magst, was deine Komfortzone ist, oder du auf gleicher Ebene stehen möchtest, kannst du diese Distanz also schaffen oder abbauen.

Dass die Sie-Form eine Respektsform ist, ist historisch bedingt, haben sich früher ja eher die niederen Schichten untereinander geduzt. Wer hingegen „jemand ist“, also Herren und Frauen, genau wie Adelige, hatte ein Anrecht darauf, gesiezt zu werden. Erst als mit Ende des Mittelalters „Herr“ und „Frau“ zur allgemeinen bürgerlichen Anrede wurde, hatte jeder ein Anrecht darauf gesiezt zu werden. So gibt übrigens auch heute noch der „Knigge“ vor, dass jedem die Anrede „Sie“ zunächst zusteht und dass das „Du“ die Zustimmung meines Gegenübers erfordert. Ob du dich heutzutage auch noch an die alte Regel halten magst, dass nur der Ältere bzw. der Ranghöhere das „Du“ anbieten darf, darüber lässt sich diskutieren.

Mit der Sie-Form lässt sich also durchaus Respekt ausdrücken. Selbst wenn bei dir oder in deinem Unternehmen die Du-Form eher Kultur ist, kannst du anderen, die beispielsweise einen gewissen Stand haben oder älter sind, mit einem „Sie“ deinen Respekt ausdrücken. Das widerspricht sich nicht. Sich als Führungskraft aber mehr Respekt durch die Sie-Form zu erhoffen, ist hingegen schwierig. Der Satz: Es sagt sich viel leichter „Du Depp“ als „Sie Depp!“, stammt aus einer Zeit, in der die Beziehung zwischen Mitarbeiter*innen und Vorgesetzten noch von Gehorsamkeit geprägt war. Respekt zwischen Führungskräften und Mitarbeiter*innen definiert sich heute durch Verhalten und nicht durch eine Sprachform. Was sich damit aber durchaus ausdrücken kann, ist, ob sich die Führungskraft eher auf Augenhöhe sieht oder lieber Distanz wahren möchte.

Ob du dich also duzen oder siezen lassen möchtest und ob du dein Gegenüber eher siezt oder duzt, hat etwas damit zu tun, welche Distanz zu wahren möchtest und ob du Respekt ausdrücken willst. Auch wenn in deinem Umfeld einvernehmlich die Du-Form „Kultur“ ist, hat gesellschaftlich betrachtet jeder ein Recht gesiezt zu werden, egal ob jünger oder älter. Im Zweifelsfall bist du immer auf der sicheren Seite, wenn du einfach nachfragst oder das Du anbietest oder wie wir sogar #gerneperdu in die Emailsignatur mit aufnimmst. Wie auch immer musst du wissen, dass die Du-Form eine Einbahnstraße ist. Ein Zurück zum „Sie“ um wieder Distanz oder Respekt aufzubauen ist nicht möglich…

 

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Frank Simmeth

Frank Simmeth ist zertifizierter INLPTA Trainer, ECA Lehr-Coach, Buchautor und Kolumnist. Seit 2003 ist er erfolgreich als selbständiger Trainer für Gastronomie und Hotellerie tätig und begeistert in seinen lebendigen und abwechslungsreichen Seminaren Mitarbeiter wie Führungskräfte gleichermaßen.

Zertifiziertes Lerninstitut

Simmeth-Training ist ECA zertifiziert und zweifacher Finalist des Europäischen Trainingspreises.

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