Sind Uniformen noch zeitgemäß? Ein klares “Jein”…
Letztens kommt unsere Kollegin Iris Nutz lächelnd in unsere Akademie und erzählt von einem 5-Sterne-Hotel mit folgendem Aushang im Fenster: „Kommen Sie als Mitarbeiter*in zu uns, wir stellen Ihre Uniform“…
Vielleicht ist ja genau das eine der Hauptursachen für den Fachkräftemangel in unserer Branche. Ohne zunächst näher auf die Notwendigkeit einer Uniform einzugehen. Wer glaubt, beim heutigen Fachkräftemangel noch Mitarbeiter dadurch gewinnen zu können, weil man bereit ist Arbeitskleidung zu stellen, der hat vielleicht den Ernst der Lage noch nicht verstanden. Vielleicht wird dieser „Aushang“ aber auch seit vielen Jahren einfach bei Bedarf aus der „Asservatenkammer“ geholt…
Um zu entscheiden, ob eine Uniform in unserer Branche nun überhaupt noch notwendig oder zeitgemäß ist, lohnt ein Blick in die Historie. Vielleicht ist hier hilfreich, sich zunächst noch einmal zu verdeutlichen, welchen Zweck eine Uniform überhaupt erfüllt…
Uniformen und deren Geschichte…
Bei einer Schuluniform liegt der Zweck vermutlich auf dem Wortanteil „uni“, also „gleich“. Je nach Geldbeutel kann ich mich durch meine Kleidung ja auch von anderen absetzen oder ein Statement setzen. Die Idee der Schuluniform soll genau das vermeiden. Eine Uniform kann aber auch ein Ausdruck gleicher Gesinnung sein, wie z.B. bei einer Tracht, und damit die Zugehörigkeit zu einer Gruppe ausdrücken. Aus systemischer Sicht entsteht Zugehörigkeit nicht nur durch gleiche Rituale (Verhaltensweisen) und das Austauschen von Geschichten, sondern auch durch Symbole. Diese sind nach außen ein Ausdruck von Gemeinsamkeit und nach innen ein Ausdruck eines „Korpsgeistes“.
Dass durch Uniformen auch Gesellschaftsunterschiede ausgedrückt werden, erkennt man gut an den „grauen Männern in grauen Anzügen“ (vergl. MOMO, Michael Ende, 1973), die in vielen Bereichen zum Ausdruck von Geschäftsleben in unserer Gesellschaft geworden sind.
Nicht zuletzt muss man aber auch verstehen, dass durch Uniformen, die militärisch angelehnte Elemente enthalten, Macht bzw. Autorität demonstriert werden kann. Das kann man übrigens nicht nur beim Polizisten erleben, sondern auch beim Zugschaffner, Schiffskapitän oder Flugzeugkapitän. Alle tragen gleichermaßen Streifen an Schultern oder Ärmeln und haben buchstäblich den „Hut auf“. Wer den Hut auf hat, hat nicht nur die Verantwortung, sondern das Sagen. Im Falle von beispielsweise Flugbegleiter*innen haben Uniformen aber auch noch einen Sicherheitsaspekt. Im Notfall kann und muss ich mich nach ihnen richten. Ganz ursprünglich hatten Uniformen einen ganz anderen und eigentlich simplen Zweck. Um beispielsweise beim Militär eine große Masse von Menschen einzukleiden, ist es schlichtweg günstiger, auf einheitliche Kleidung zurückzugreifen.
Noch zeitgemäß?
Egal aber ob Zugehörigkeit, Gesellschaftsstand, Macht, Gesinnung oder einfach nur günstiger: Jede Uniform, ob freiwillig oder unfreiwillig, geht auf Kosten der Freiheit und Individualität. Verzichten wir auf eine Uniform, stellt sich aber gerade in unserer Branche auch ganz banale Fragen: Woran erkennen unsere Gäste dann noch, von wem sie bedient werden?
Das ist gar nicht so leicht zu beantworten. Geschafft hat diesen Spagat beispielsweise der Burgergrill Hans im Glück. Die einzige Regel bezüglich der Arbeitskleidung heißt hier: Zieh das an, worin du dich magst und wohl fühlst! Interessant finde ich, dass hier anscheinend weder Gäste noch Mitarbeiter*innen ein Problem haben, sich gegenseitig zu erkennen.
Vielleicht liegt das Problem in unserer Branche aber nicht an der Uniform, sondern eher daran, wie UNIFORM manchmal immer noch verstanden wird. Als ich damals meine Ausbildung in einem 5-Sterne-Hotel begonnen haben, habe ich zunächst ein Briefing bekommen, dass ich mich auf keinen Fall auf Augenhöhe zu den Gästen begeben darf, dass ich weder auffällige Kleidung noch Schmuck tragen dürfte, geschweige denn ein Tattoo oder einen Dreitagebart. Es gibt übrigens immer noch Betriebe, die nicht nur solche Dinge vorgeben, sondern sogar Denk- und Sprechmuster.
Im Kopf uniformieren?
Der Versuch, Mitarbeiter*innen aber nicht nur am Körper, sondern auch im Kopf zu „uniformieren“ wird vermutlich zukünftig ein großer Misserfolgsfaktor sein. Im Gegensatz zu einem Beamten am Bahnhof lebt Dienstleistung in unserer Branche von Individualität und nicht von „gleich“. Das erfordert aber auch von den Führungskräften der Zukunft ein Mindset, dass Andersartigkeit, Eigenartigkeit und eigenes Denken überhaupt zulässt. Wer hier Angst davor hat, einen Gast wegen eines „eigenartigen“ Mitarbeiters zu verlieren, hat nicht verstanden, wer von beiden heute schwerer zu gewinnen ist.
Weg also von der Uniform? Ich bin mir nicht sicher! Dinge wie Zugehörigkeit oder Korpsgeist dürfen wir ja nicht einfach missachten. Das funktioniert aber nur, wenn die Uniform so modern, cool und schick ist, dass ich mich als Mitarbeiter*in darin auch wohl und zugehörig fühlen kann. Außerdem dürfen wir auch nicht vergessen, dass für manche Mitarbeiter die Uniform ein Schutz ist, die man an- und ablegen und damit Arbeit von sich selbst abgrenzen kann.
Die Kunst ist also, Zugehörigkeit zu schaffen, die immer noch Raum für Individualität lässt. Wer dabei Schmuck, Tattoos oder ähnliches als Ausschlusskriterium wählt, verhindert nicht nur Diversität in Team und Service, sondern schließt auch noch einen beachtlichen Teil des Arbeitnehmermarktes aus.
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